In Management

Dipl.-Betr. Christian Grotebrune,
UNITY AG, Büren

Im Kontext Industrie 4.0 lauten die Handlungsfelder für Unternehmen: Erhöhung des Automatisierungsgrads und Entwicklung neuer Geschäftsmodelle, bei denen der Kundennutzen im Vordergrund steht. Industrie 4.0 führt zu digitalen Geschäftsmodellen und -prozessen. Daher muss Arbeit neu definiert werden. Voraussetzung für die Umsetzung von Industrie 4.0 in Unternehmen ist ein Wandel in Führung und Kultur: Starre Führungslinien und strikte Trennung in einzelne Abteilungen werden durch vernetztes Denken, Arbeiten und Führen abgelöst.

Die Ängste, die durch Digitalisierung und Industrie 4.0 aufkommen, müssen ernst genommen werden. Viele Beschäftigte sind in Standardabläufen geschult worden. Nun heißt es, kreativ zu sein und die Lösung direkt dort zu realisieren, wo ein Problem entsteht. Vor allem „frei denkende“ Mitarbeiter sind gefragt. Kleine Teams mit flachen Hierarchien schaffen eine Start-up-Mentalität.

In der digitalen Arbeitswelt werden Beschäftigte für Arbeitgeber transparenter. Eine gute Führungskultur zeichnet sich dann durch Fairness im Umgang mit Fehlern aus, die in der digitalen Welt schneller erkannt und individuell zurechenbar sein werden. Beschäftigte werden autonomer arbeiten können, was Selbstständigkeit und Flexibilität fördert. Virtuelles Arbeiten gewinnt an Bedeutung.

Auch die Aus- und Weiterbildung verändern sich. Neue Berufsbilder, die auf „Advanced Systems Engineering“, „Industrial Security“ und „Data Analytics“ Kompetenzen aufbauen, müssen etabliert werden. Software-Entwicklung wird zur Grundfähigkeit vieler Arbeitnehmer.

Das Management benötigt einen Masterplan für die Digitalisierung und den Transformationsprozess, der eine Vision, das eigene Selbstverständnis und einen Pfad für die Zukunft beinhaltet. In diese Roadmap gehören die Initiativen, für die es sich lohnt, Piloten zu entwickeln und damit einen Proof of Concept (PoC) durchzuführen. Wir nennen dies „Innovation Scrum“.

 

Führung und Kultur

„Nur noch den vermeintlich besten Managern aus dem Silicon Valley hinterherzurennen, kann für deutsche Unternehmen nicht die Lösung sein. Die Abstoßungsreaktionen im Unternehmen wären viel zu groß.“ stellen die schon zitierten Personalverantwortlichen der deutschen Konzerne und acatech fest [aca 2016a].

Neben vielen technologischen Neuerungen ist eine zentrale Voraussetzung für die erfolgreiche Umsetzung von Industrie 4.0 in Unternehmen ein Wandel in „Führung und Kultur“. Eine Orientierung gerade an branchenfremden Entwicklungen ist allerdings absolut notwendig. Die bisher üblichen starren Führungslinien und die strikte Aufgaben- und Zuständigkeitstrennung in einzelnen Abteilungen ist im Kontext von Industrie 4.0 nicht mehr zeitgemäß.

Der Anstoß zur Digitalisierung kommt vom Markt oder aus der Innovationsabteilung. In diesen Unternehmen wird der Prozess von den Innovationsverantwortlichen, dem Business Development und/oder den Strategieverantwortlichen, vorangetrieben. Teilweise sind es auch die Marketingverantwortlichen, schließlich soll ja der Kunde von nun an konsequent im Mittelpunkt der Betrachtung stehen. Hier stellt sich die Frage, wie IT- und Produktionsverantwortliche mit eingebunden werden. Der Produktentwicklung kommt ebenfalls eine wichtige Rolle zu. Gerade bei neuen Geschäftsmodellen und Services steht der Leitsatz „Design to Order“ (Fertigung nach individuellem Auftrag) mehr denn je im Vordergrund. Dieser ist nur zu realisieren, wenn Produkt-, Produktionsmittel- und Dienstleistungsentwicklung in frühen Phasen zusammenarbeiten [GP 2014].

Digitalisierung kann nicht durch einen Verantwortlichen oder einen Verantwortungsbereich realisiert werden. Sie betrifft das gesamte Unternehmen. Daher müssen die Abteilungsgrenzen überwunden und neue Zusammenarbeitsmodelle etabliert werden. Es gilt, das traditionelle „Brockhausdenken“ [Wei 2015] – Verantwortlichkeiten in Linien – durch eine vernetzte Zusammenarbeit im Team abzulösen. Benötigt wird der Grundgedanke eines Chief Digital Boards (CDB) mit einer Governance für Digitalisierung. Begrifflichkeiten, Zuständigkeiten, Rollen und Zusammenarbeitsmodell müssen geklärt werden. „Vernetztes Denken, Arbeiten und Führen“ muss sich auch in den Köpfen und im Handeln der Akteure widerspiegeln. Es gilt, vernetzt und transdisziplinär zusammenzuarbeiten – sowohl intern als auch über die Unternehmensgrenzen hinweg. Dann können durch Kooperation schneller und nachhaltiger zukunftsfähige Lösungen erzielt werden. Die Zusammenarbeit findet quer zu Fachdisziplinen, Aufgabengebieten, Standorten und über Organisationsgrenzen hinweg statt. – Wenn Organisationen in Zukunft stärker in Netzwerken arbeiten, werden auch dezentral Entscheidungen getroffen (Active Ownership mit regionaler Verantwortung und unterstützt/herausgefordert vom Corporate Center). Statt alle Funktionen an einem Ort zu zentralisieren, können dabei auch regionale Einheiten gegebenenfalls eine zentrale Unternehmensfunktion übernehmen, wenn sie dafür besonders geeignet sind.

Durch vernetztes Führen werden schon heute bei erfolgreichen Industrieunternehmen Experten in gewissen Bereichen zusammengeführt, die global in verschiedenen Entwicklungszentren verteilt sind. Damit sind in Zukunft vor allem „neu und frei denkende“ Mitarbeiter gefragt. Agile Methoden sind notwendig, um innovative Ideen auch kurzfristig umsetzen zu können. Die Industrie stellt fest, dass man im globalisierten Markt mit so vielfältigen Produkten und Kunden anders gar nicht bestehen und erfolgreich sein kann [Qui 2015]. So ist vor allem die Entwicklung von Geschäftsmodellen nur dann erfolgreich, wenn die Führung und die Kultur im Unternehmen hierauf abgestimmt und damit die Rahmenbedingungen für Kreativität, Innovationskraft und die Fähigkeit zum disruptiven Denken gegeben sind.

„Früher hat der Arbeitgeber dem Mitarbeiter gesagt, was er zu tun hat; der Mitarbeiter wiederum hat dem Kunden gesagt, was er braucht beziehungsweise bekommt. Jetzt müssen wir vom Kunden ausgehen und uns fragen: Wie weit ist das Geschäft des Kunden bereits digitalisiert und wie können wir uns vernetzen?“ [aca 2016a]

 

Quellen:
[aca 2016a] acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften: acatech Impuls „Die digitale Transformation gestalten”, April 2016

[GP 2014] Gausemeier, J.; Plass, C.: „Zukunftsorien­tierte Unternehmensgestaltung“, München, 2014

[Qui 2015] Quinkert, A.: Agilität ist eine Einstellung – wie Unternehmen heute ticken müssen. www.zielbar.de/agilitaet-unternehmen-agile-fuehrungskultur-6101, 2015

[Wei 2015] Weinberg, U.: „Network Thinking”, 2015