In Finanzen

Günther Stuff, Steuerberater
Herfurth & Partner Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Hannover

 

|  Die wirtschaftliche Bedeutung von Daten schlägt sich bekanntlich in vielerlei Bewertungen nieder, am deutlichsten aber in manchmal astronomischen Kaufpreisen für Internetunternehmen, die viele Nutzer haben, aber noch keinerlei Gewinne. Daher stellt sich die Frage, wie Daten neutral, also ohne Verkehrsgeschäft, zu bewerten sind und wie sich dieses auf die Finanzstruktur des Unternehmens, aber auch auf die steuerliche Behandlung auswirken kann.

 

  1. Daten als Vermögenswert

Daten im Allgemeinen sind nicht aktivierbar. Wie wird es in einer immer stärker vernetzten Welt in Zukunft aussehen; also in einer Welt, in der Maschinen, Computer, Smartphones, Gebäude, Straßenverkehr und zuletzt der Mensch selbst untereinander vernetzt sind und permanent Daten erzeugen und austauschen? Werden dann nicht Daten, wie von IAS/IFRS-Standards für die Aktivierung von Immateriellen Wirtschaftsgütern gefordert, einzeln bewert- und veräußerbar?

Maschinen werden in Zukunft selbstständig Maschinen entwickeln und verbessern. Diese von Maschinen erzeugten Daten sind digitale Baupläne und erfüllen in diesem Fall wohl nach IAS/IFRS die Kriterien für selbstgeschaffene immaterielle Wirtschaftsgüter, die nach IAS-Standard zu aktivieren wären. Reine Datensammlungen, wie Telefonlisten, Datenlisten und anderes, die für betriebsinterne Zwecke verwendet werden, dürften dagegen auch in Zukunft nicht aktivierungsfähig sein. Werden diese Daten aber auf Datenträger übertragen und verkauft, handelt es sich wie schon heute um aktivierungsfähigen Wirtschaftsgüter.

Die Abgrenzung zwischen Aktivierung und sofortiger gewinnmindernder Aufwendung wird sich in einer total vernetzten Welt schwieriger gestalten und erfordert neue Bewertungsstandards und Regeln. Deutschland ist mit den Grundsätzen zur ordnungsgemäßen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD) oder den Grundsätzen ordnungsmäßiger DV-gestützter Buchführungssysteme (GoBS) und anderen Regelwerken  gerade am Anfang der Entwicklung modernerer Buchführungsstandards. Internationale Standards, wie IAS/IFRS, sind schon als ein Stück näher an der bereits jetzt existierenden digitalen Realität zu betrachten.

 

Bild: Bilanzielle Behandlung von Daten

 

Aktivierung Pflicht Wahl Verbot
Von immateriellen Wirtschaftsgütern
     
Handelsrecht / HGB      
§         Entgeltlich erworben X    
§         Unentgeltlich erworben   X  
§         Selbst geschaffen   X  
§         Aber: Marken, Drucktitel, Verlagsrechte, Kundenlisten, oder vergleichbar     X
§         Daten (Betriebsgeheimnisse, Know How ?)   ? ?
     
Handelsrecht / IFRS      
§         Entgeltlich erworben X    
§         Unentgeltlich erworben,
(sofern einzeln bewertbar und veräußerbar)
X    
§         Selbst geschaffen
(sofern einzeln bewertbar und veräußerbar)
X    
§         Aber: Marken, Drucktitel, Verlagsrechte, Kundenlisten, vergleichbar     X
§         Daten (Betriebsgeheimnisse, Know How ?)     ?
     
Steuerrecht  (DE)      
§         Entgeltlich erworben X    
§         Eingelegte Wirtschaftsgüter X    
§         Unentgeltlich erworben     X
§         Selbst geschaffen     X
§         Aber: Marken, Drucktitel, Verlagsrechte, Kundenlisten, oder vergleichbar     ?
§         Daten (Betriebsgeheimnisse, Know How ?)     ?

 

  1. Cloud-Computing im Steuerrecht

Die Auslagerung von Datenbeständen und Datenverarbeitungsprozessen, und damit auch der Steuerung von Produktionsprozessen, an andere Standorte als die der physischen Nutzung werfen neue steuerliche Fragen auf.  Die wichtigsten Fragen für die steuerliche Behandlung von Daten in der „Cloud“ sind:

  • Gründet man mit Cloud-Computing eine Betriebsstätte?
  • Wie ist die umsatzsteuerliche Behandlung der Leistungen zwischen Anbieter und Leistungsempfänger?
  • Was bedeutet es, seine Buchführungsdaten ins Ausland zu verlagern?

Oft sind Server, die Daten eines Unternehmens verarbeiten oder speichern, im Ausland angesiedelt. Das Vorliegen einer (steuerlichen) Betriebsstätte im Ausland führt zur beschränkten Steuerpflicht im Land der Betriebsstätte. Ob eine Betriebsstätte vorliegt, ist anhand der jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) zu prüfen.

Innerstaatlich gilt § 12 Abgabenordnung (AO), wonach eine Betriebstätte jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage ist, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient. In der Regel hat derjenige eine Betriebsstätte am Serverstandort, der die Verfügungsmacht über den oder die Server ausübt; das ist meistens der Cloudservice-Provider, denn in der Regel wird der Leistungsempfänger nicht einen bestimmten Server sondern nur die Rechnerkapazität mieten. Oft werden Daten auch über mehrere Server mit verschiedenen Standorten überall auf der Welt verteilt. Das könnte im Extremfall zu einer Vielzahl von Betriebsstätten in diversen Ländern führen. Die größten Anbieter von Cloud-Dienstleistungen haben ihre Rechnerkapazitäten überwiegend in den USA angesiedelt. Da auch deutsche Provider, zumindest in der Vergangenheit, ebenfalls Rechnerkapazitäten in den USA angemietet hatten, kommt es zu einer erheblichen Datenkonzentration auf dem Boden der USA. Unterhält oder kontrolliert ein deutsches Unternehmen eigene Server im Ausland, kann es also durchaus dazu kommen, dass die Finanzverwaltung am ausländischen Standort eine Betriebsstätte annimmt und die dort zuzuordnenden Gewinne der örtlichen Besteuerung unterwirft. Sofern diese Behandlung von der deutschen Finanzverwaltung akzeptiert wird, kommt es (zunächst) zu einer Doppelbesteuerung der entsprechenden Erträge. Dies bedeutet mindestens eine administrative, gegebenenfalls auch eine finanzielle Mehrbelastung für Unternehmen.

 

  1. Umsatzsteuerliche Behandlung von Dienstleistungen

Daneben stellt sich die Frage, wie umsatzsteuerlich zu bewerten ist, wenn der Serverprovider seinen Sitz im Ausland hat oder dort eine Betriebsstätte unterhält. Die Dienstleistung „Cloud-Computing“ stellt eine sonstige Leistung im Sinne des § 3 Abs. 9 UStG dar. Ort der Leistung zwischen Unternehmern ist der Sitz des Leistungsempfängers. Wird sie am Ort der Betriebsstätte des Leistungsempfängers erbracht, gilt der Ort der Betriebsstätte als Ort der Leistung. Ist der Ort der Leistung Deutschland, ist die Leistung in Deutschland umsatzsteuerpflichtig. Gleichwohl können Nicht-EU-Staaten in ihren Gesetzen vorsehen, dass die Leistung auch im Anbieterland der Umsatzsteuer unterworfen ist.

 

  1. Verlagerung der Buchführung ins Ausland

Die mit BMF-Schreiben vom 14.11.2014 veröffentlichten GoBD stellen erhöhte Anforderungen an die Sicherheit und Reproduzierbarkeit der gespeicherten Daten. Datensicherheit bedeutet, Sicherung gegen Verlust, also z.B. Unauffindbarkeit, Vernichtung, Untergang und Diebstahl und gegen unberechtigte Eingaben und Veränderungen. Verlagert ein Unternehmen seine Buchführung ins Ausland, muss die Finanzverwaltung dem vorher zustimmen (§ 146 Abs.2a AO). Die GoBD schreiben auch vor, dass die Betriebsprüfung auf die Buchführungsdaten in vollem Umfang zugreifen kann. Eine Zustimmung zur Verlagerung der Buchführung ins Ausland wird also versagt werden, wenn ein solcher Zugriff dann nicht mehr uneingeschränkt möglich wäre. Die Finanzverwaltung wird auch darauf achten, ob zum Beispiel Steuerstrafverfahren oder Ordnungswidrigkeiten vorlagen, Abgabeverpflichtungen nicht eingehalten werden oder häufige Zahlungsverzögerungen vorgekommen sind. In solchen Fällen wird es wahrscheinlich auch nicht zur Zustimmung einer Verlagerung der Buchführungsdaten ins Ausland kommen –  vermutet das Finanzamt eine Beeinträchtigung der Besteuerung oder des Zugriffs auf die Daten, wird es die Zustimmung versagen. In solchen Fällen sieht die Finanzverwaltung die Buchführung als nicht ordnungsgemäß an, was zu Schätzungen der Besteuerungsgrundlagen führt. Dem Finanzamt muss also nachgewiesen werden, dass es bei der Verlagerung der Buchführung ins Ausland nicht zu Beeinträchtigungen bei Sicherheit, Reproduzierbarkeit und Datenzugriff kommen kann.

 

  1. Verrechnungspreise für internationalen Datenverkehr

Produktionsprozesse unter Industrie 4.0 bewegen systembedingt große Mengen an Daten: im Rahmen von Bestellungen, zur Maschinensteuerung, an Werkstücken zur Weiterbearbeitung, in der Logistik und im Rahmen von Wartung beim Kunden. Wenn ein Unternehmen einem anderen Daten überlässt, dient dies in erster Linie der Erledigung seiner Aufträge – Daten können aber darüber hinaus weiteren Nutzen haben und damit auch für den Empfänger einen eigenen zusätzlichen Wert.

Fließen wertvolle Daten in grenzüberschreitenden Prozessen an Empfänger im Ausland, auch innerhalb eines Konzerns, stellt sich die Frage nach der Bewertung und Vergütung. Die Problematik von Verrechnungspreisen für internationalen Datenverkehr ist vornehmlich im Lichte des OECD-Reports zur Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung zu betrachten.

Gewinne, die mit immateriellen Wirtschaftsgütern erwirtschaftet werden, tragen durch Fehlzurechnungen unter Umständen erheblich zur Gewinnverlagerung oder Gewinnverkürzung bei. OECD und G20 haben dieses Problem erkannt und versuchen im Rahmen von BEPS (Base Erosion and Profit Shifting) durch Überarbeitung der Verrechnungspreisrichtlinien eine bessere Zuordnung zu erreichen. Am 05.Okt. 2015 wurde hierzu nun das Ergebnis veröffentlicht.

Obwohl im Grundsatz rechtliches Eigentum und vertragliche Vereinbarungen die Grundlage für die Findung der Verrechnungspreise darstellen, hat die OECD hierin nicht allein die Kriterien für eine Zuordnung von Erträgen durch Nutzung immaterieller Wirtschaftsgüter gesehen. Soweit auch andere Unternehmen im Konzernverbund bei der Entwicklung maßgeblichen Einfluss auf die Funktion der Immateriellen Wirtschaftsgüter nehmen oder nennenswerte Risiken übernehmen, sind ihnen entsprechende Vergütungen zuzuwenden. Damit kann der rechtliche Eigentümer nicht alleine die aus der Nutzung seiner Immateriellen Wirtschaftsgüter resultierenden Erträge vereinnahmen. Auch unter diesem Aspekt sind künftige Transfer-Pricing-Modelle zu beleuchten. Der bisher auch von der Finanzverwaltung präferierte Fremdvergleichsgrundsatz dürfte daher lediglich noch bei Vergütungen für das Halten der Rechte (z.B. Patente) und das eingesetzte Kapital eine größere Rolle spielen.

Als wichtige Funktionen für die Bewertung immaterieller WG sieht die OECD folgende Punkte an[1]:

  • Design und Kontrolle von Forschungs- und Marketingprogrammen
  • Leitung von und Festlegung der Prioritäten für Kreativunternehmen, einschließlich der Bestimmung des Ablaufs der sog. „bluesky-Forschung“
  • Kontrolle über strategische Entscheidungen in Bezug auf Entwicklungsprogramme von Immateriellen Wirtschaftsgütern
  • Management und Budgetkontrolle
  • Verteidigung und Schutz von Immateriellen Wirtschaftsgütern
  • Laufende Qualitätskontrolle von Funktionen, die von unabhängigen und verbundenen Unternehmen ausgeübt werden.

Die OECD sieht in erster Linie die Preisvergleichs- und die Gewinnaufteilungsmethode als die am besten geeigneten Verrechnungspreismethoden zur Bewertung von Immateriellen Wirtschaftsgütern an. Auch sind bei der Verrechnungspreisfindung Faktoren wie Genauigkeit der Finanzprognosen, Wachstumsraten, Abzinsungssätze, Nutzungsdauern der Immateriellen Wirtschaftsgüter, Steuern und Zahlungsart, in angemessener Weise zu berücksichtigen.

Das OECD-Papier wirft, besonders für schwierig zu bewertende Immaterielle Wirtschaftsgüter, noch eine Vielzahl von Fragen auf, die noch geklärt werden müssen, bevor eine Umsetzung in den entsprechenden DBA bzw. nationalen Gesetzen erfolgen kann. Es zeigt aber auch, dass das heutige Verständnis zu Leistungsverrechnungen im Konzern und den damit zusammenhängenden möglichen Gewinnverschiebungen über Ländergrenzen hinweg den neueren Entwicklungen auf dem Weg zu Industrie 4.0 angepasst werden muss.

[1]  Punkt 6.56 „Aligning Transfer Pricing Outcomes with Value Creation, Actions 8-10-2015 Final Reports