Hannover, im April 2019 | Maßnahmen und Umsetzungen bei der Firma nass magnet.
Stephan Prigge, Leitung Vertrieb Projekte, nass magnet GmbH,
Der Beitrag ist eine editierte Mitschrift des Vortrags auf der Indy4 Konferenz
„Digitale Perspektiven“ auf der Hannover Messe Industrie 2019
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Nass magnet ist einer der führenden Hersteller von Magneten zur Steuerung von Ventilen. Das Unternehmen nass magnet ist schon seit 93 Jahren am Markt, seit 1925 in Deutschland, seit 1950 über Wilhelm Nass.
Der Weg um die Welt führt 1988 zum ersten Standort in den USA. Er ist immer noch relativ klein, mit 15 Mitarbeitern, die den amerikanischen Markt direkt betreuen, dafür individuell assemblieren und verpacken. Ob wir dort in Zukunft auch produzieren wollen, prüfen wir gerade, nicht zuletzt mit Blick auf die aktuelle US-Handelspolitik.
Wir sind 1988 nach Ungarn gegangen, heute unser größter Fertigungsstandort mit ca. 350 Mitarbeitern. Dort wird all das getan, was ein höheres Maß an manueller Fertigung erfordert, also Spulenwickeln und alle Arbeiten, bei denen Teile mit der Hand eingelegt oder entnommen werden müssen. Das dortige Lohnkostenniveau ist um einen deutlichen Faktor geringer als in Deutschland. Nichtsdestotrotz haben wir 300 Mitarbeiter hier in Hannover und auch hier wird produziert. Alle Drehteile, Kunststoffteile und die hohen Automatisierungen kommen aus Hannover. Am Standort Hannover in Vahrenheide arbeiten ungefähr 60 Ingenieure. Wir haben eine hohe Fertigungstiefe – etwas sehr Besonderes. Im Jahr 2013 haben wir entschieden, den chinesischen Standort anders zu führen. Die Zollregularien haben uns Probleme gemacht, die Zeiten waren zu lang. Wir haben also einen kleinen Vertriebsstandort mit einem Lager eingerichtet, so dass wir die Kundenbedarfe sehr viel schneller befriedigen können als in der Vergangenheit.
In Deutschland liegt auch der Bereich Entwicklung: wir entwickeln in 3D, wir simulieren in 3D und sind damit sehr modern aufgestellt. Wir können die Funktion unserer Komponenten, das Verhalten der Werkzeuge, Spritzguss etc. simulieren. Auch unsere Anlagen konstruieren, bauen, errichten und betreiben wir selbst. Wir haben also eine sehr hohe Kompetenz über all das, was die Anlagen auszeichnet und damit auch den Produktionsprozess.
Die Produkte von Nass Magnet sind immer etwas schwierig ins Gespräch zu bringen – sie sind alle schwarz und eckig und haben einen Stecker. Wenn Sie aber in Hannover eine Bustür öffnen, liegt die Wahrscheinlichkeit bei 100 %, dass dahinter ein nass magnet Ventil die Tür geöffnet hat. Wenn Sie einen Volkswagen modernerer Bauart fahren und Sie fahren die Luftfeder hoch und runter, dann schaltet in dem Kompressor (ein WABCO Kompressor übrigens) ein nass magnet Ventil, eines unserer umsatzstärksten Produkte. Mit Bremssystemen sind wir in den 90ern gestartet (damals über die Firma Knorr-Bremse) und sind seitdem einer der stärksten Lieferanten für Magneten für die ABS-Bremsen in Nutzfahrzeugen. Zu dem Zeitpunkt waren wir praktisch Marktführer, denn 40 % aller in Europa gebauten LKW waren mit nass magnet Ventilen für die ABS-Bremsen ausgestattet. Das ist ein sehr ordentliches Portfolio mit einer Größenordnung von zwei Millionen Komponenten im Jahr. Die Produkte werden in Ungarn vorbereitet, die Hochautomatisierung erfolgt dagegen in Deutschland.
Weitere Anwendungen liegen in der Verpackungsindustrie und der Prozessindustrie. Etwa 50 % unseres Umsatzes entfallen auf Industrie, auch Agrartechnik. Wenn Sie nun Ihr Fahrzeug durch die Waschanlage fahren und die Bürsten sehr langsam auf Sie zugefahren kommen und Ihr Auto nicht beschädigen, liegt das daran, dass ein Pneumatikzylinder, getrieben durch ein nass magnet Ventil, diese Bürste sachte an das Auto heranfährt. Das ist der Vorteil der Pneumatik: sie macht nichts kaputt, weil sie die Abstände klar über Druck und den Kolben definiert. Es gibt keinen Sensor, der kaputt gehen kann. Und selbst wenn ein Ventil undicht wird, zischt es einfach nur. Und es verunreinigt kein Öl die Umgebung.
Effiziente Verwaltung
Im Bereich der Administration sind die Prozesse bei nass magnet so organisiert, wie die IATF 16949 das von uns erfordert, und auch schon lange Zeit die ISO 9001. Heute laufen Dokumente bei uns fast vollständig elektronisch herein. Interessant wird dabei, bei den zunehmend größeren Verträgen die richtigen Ansprechpartner mit Zeichnungsberechtigung zu adressieren. Für eine höhere Geschwindigkeit in der Abwicklung nutzen wir z. B. auch Elemente oder Softwarelösungen wie Adobe Sign, die uns dann über andere Zertifizierungen erlauben, etwa den gerade in China befindlichen CEO von z. B. WABCO zu erreichen, der dann auch die größeren Verträge unterzeichnen kann.
Die Bestellabwicklung haben wir bei unseren Industrielieferanten durchaus auch schon auf Lieferabrufe erweitert. Es war schon eine Herausforderung, das System flächendeckend einzubinden; inzwischen ist auch eine rückwirkende Rechnungstellung möglich.
Wir setzen dieses Jahr ein Wissensmanagementsystem ein. Wir werden Prozesse nach Kanban abwickeln, auch in der Administration, und wir werden auch einen Jira einsetzen, um unser Projektmanagement zu verbessern. Wir ertrinken in E-Mails – wie die Allermeisten. Aber wir brauchen eine schnellere Kommunikation. Dazu ist die E-Mail zu langsam und zu vielfältig. Dazu bauen wir unsere Prozesse sowohl im ERP als auch in der gesamten IT-Landschaft aus.
Maschinensteuerung auf dem Shopfloor
Auf dem Shopfloor gibt es aktive und inaktive Maschinen; mit der Darstellung in Farben und einem Mouseoverevent erkennen wir, um welche Maschine und welchen Typ es sich handelt. Mit einem interaktiven Board kann daher jeder zugangsberechtigte Werker sehen, was eine Maschine gerade tut: wir sehen den Auftrag, ein Bild der Maschine und den Auftragsstatus. Das ist ganz neu. Früher haben wir warten müssen, bis die Maschine mit dem Auftrag fertig war, haben den zurückgemeldet und wussten dann, dass Ware kommt. Das reicht heute nicht mehr aus. Die Automobilisten erwarten von uns, dass wir schneller takten – auf den Tag, idealerweise auf die Stunde. Das können wir mit dieser Technologie realisieren, und das erhöht erheblich die Transparenz in unserem Fertigungsprozess. Auch unsere Mitarbeiter sehen an der roten Anzeige sehr schnell, dass irgendetwas in einem Prozess nicht gut läuft. Der Verantwortliche kann dann zur Maschine gehen, weil die Anzeigen überall im Unternehmen verfügbar sind. Die Bildschirme sind im Unternehmen an verschiedenen Stellen aufgehängt und jeder, der die Berechtigung hat, kann das System an jeder Stelle des Unternehmens nutzen. Es ist also nicht mehr nötig, durch die Halle zu gehen, um zu sehen, dass irgendwo eine Leuchte nicht die richtige Farbe hat. Der Bildschirm ist auch in der Lage, die Leistungsindikatoren zu Ausbringungsmengen, Maschinenlaufzeiten, Auftragsbestand, Auftragsvolumen etc. darzustellen. Diese KPIs sind sehr vielfältig definiert, und wir haben auch dafür ein an unser SAP angebundenes System eingekauft, um soviel wie möglich für uns in notwendigen und sinnvollen KPIs abzubilden und darzustellen. Das Shopfloor Management wird so weit gehen, dass wir alle Daten aller Maschinen sammeln; alle Prüfdaten und Betriebsdaten der Maschinen fließen heute schon in eine gigantische Datenbank. Alle unsere Maschinen sind netzwerkseitig angebunden, wenn dies technisch möglich ist. Falls nicht, rüsten wir die Maschinen im Retrofitting um. Wir sind bestrebt, diese Smart-Data-Analytics zu betreiben und damit störungsanfällige Prozesse zu erkennen, bevor die Maschine ausfällt. Das ist für uns ein ganz wesentlicher Effekt, um maximale Nutzung, maximale Transparenz und damit maximale Verfügbarkeit zu erreichen, insbesondere für die relativ teure Fertigung in Deutschland.
Das Werkzeugmanagementsystem
Mit speziellen und differenzierten Maßnahmen zur Erhöhung der Verfügbarkeit sind wir dann noch weitergegangen und haben ein Werkzeugmanagementsystem eingeführt. Noch vor fünf Jahren ging der Werkzeugmanager an den Schrank – oder diejenigen, die für die Maschinen in den drei Schichten zuständig waren. Und wir machen 15 Schichten hier in Hannover, also jeden Tag drei Schichten, fünf Tage die Woche.
Das bedeutet, dass viele Mitarbeiter auf den Werkzeugbestand Zugriff haben. Aus Bequemlichkeit werden gerne gleich zwei Werkzeuge mitgenommen, weil bald wieder das nächste gebraucht wird. Das Lager ist dann leer. Und wenn ein Werker vergessen hat wo er das Werkzeug hingelegt hat und die nächste Schicht findet kein Werkzeug im Lager mehr vor, steht die Maschine. Wir haben daher ein personengebundenes Identifikationsmanagement eingerichtet. Jeder Werker muss sich mit seinem Fingerabdruck identifizieren und den Auftrag vorzeigen. Dann geht ein Fach auf, in dem ein Werkzeug bereit liegt. Dies ist nur eine kleine, aber auch wirklich relevante Maßnahme, die nachweislich zu einer sehr viel höheren Ausbringung unserer Maschinen geführt hat. Wir haben alle unsere Maschinen an das SAP angebunden, auch unsere alten Drehmaschinen. Diese Maschinen funktionieren immer noch hervorragend.
Das Ersatzteilmanagement
Ersatzteilmanagement ist oft ein Desaster. Es gibt zwar eine Maschinenwartung, ein Handbuch, und schriftliche Dokumentationen. Alles wird von irgendjemandem verfolgt und auf dem Laufenden gehalten. Aber das ist mühsam: die Texte müssen geschrieben werden , die Dokumente auf Papier liegen irgendwo, das führt zu Laufzeiten. Wir haben daher das Ersatzteilmanagement IT-gestützt implementiert und nun an jeder Maschine verfügbar. Außerdem haben wir eine Werkzeugdatenbank eingerichtet und wissen dadurch, welches Werkzeug verfügbar ist und welches in Überarbeitung. Wir kennen also die Informationen über die Werkzeuge. Wir organisieren die gesamte Bereitstellung von Werkzeugen und Ersatzteilen heute IT-gestützt, so dass wir auch wissen und analysieren können, welche Teile häufiger ausfallen und wann wir Maßnahmen treffen müssen, um über die Ersatzteile und die Wartungsverträge mit den Servicemitarbeitern die erhöhte Verfügbarkeit sicherzustellen. Dieses Verfahren hat wesentliche Effekte, nämlich weniger Investitionen und erheblich höheren Output.
Vorausschauende Wartung
Nass magnet ist auf dem Weg zur vorausschauenden Wartung und in 2019 mitten im Ausbau des Systems. Wir haben an vielen unserer Maschinen Sensoren angeschlossen. Für 20 Jahre alte Drehmaschinen haben wir das Retrofitting soweit beschleunigt, dass wir Sensorik installiert haben. Wir wissen also bei ganz vielen Maschinen schon heute, in welchem Zustand sie sich befinden und haben sie so integriert, dass unser IT-System den Zustand der Maschine abbilden kann. Wir werden das System immer weiter ausbauen, um eine Rückschau aus den Daten zu betreiben. Denn viele unserer Komponenten wurden früher nur über das Los zugeordnet, also zum Beispiel die Produktion von 20.000 Ankern. Wenn einer ausfällt, sind die 20.000 anderen auch verdächtig. Heute haben wir den Effekt, dass viele Komponenten genau auf die hundertstel Sekunde ihren Fertigungszeitpunkt mit sich trägt. Wir haben also zu jedem Teil genau die Fertigungssekunde und wir können genau nachweisen, wie das Teil geprüft worden ist, womit es gefertigt worden ist und, dass wir unser Teil kennen. Die meisten Kunden haben vor dieser Präzision in den Daten schon so viel Respekt, dass sie nicht in der üblichen Art und Weise Forderungen an uns stellen, weil wir angeblich nicht wissen, was wir liefern. Wir wissen nämlich genau, was wir geliefert haben und was das Teil zu dem Zeitpunkt konnte. So können wir die Kette analysieren.
Zukunftsprojekt mit HANA
Nass Magnet betreibt seine IT mit SAP, eine relativ teure Lösung in der Handhabung und in der Wartung. Wir werden nun auch in das HANA (High Performance Analytic Appliance) einsteigen, das uns erlaubt, auch Business Intelligence in einem anderen Maßstab zu betreiben, also tatsächlich Datenanalyse auch schon im ERP zu betreiben. Damit wird das Vertriebsgeschäft noch transparenter. Wir können dann erkennen, was unsere Kunden künftig tun werden, indem wir Datenanalysen aus der Vergangenheit in die Zukunft ableiten. Speziell für den Shopfloor werden wir das so implementieren, dass wir mit dem HANA die Chance haben, auch Mobile Devices, d. h. Smartphones, Tablets etc. der Mitarbeiter oder vom Unternehmen an unser IT-Systeme anzubinden. Dies kann man hier in Barsinghausen bei einem befreundeten Unternehmen bereits sehen. Deren Mitarbeiter können durchaus einmal eine längere Pause machen, weil das Unternehmen in hohem Maß Robotik einsetzt: der Mitarbeiter hat eine administrierende Aufgabe und muss nicht mehr ständig vor der Maschine stehen. Das ist der Weg wie auch wir uns ausrüsten wollen. Wir versuchen, unsere IT-Landschaft an der Stelle immer weiter abzurunden und damit immer höhere Verfügbarkeit immer besseren Output und immer klarere Sichtbarkeit, Präsenz, Modernität und Flexibilität für den Kunden zu erreichen.
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